Regelungen zugunsten Bevorzugter Bewerber
Beschäftigung und Beruf sind wesentlich für die Integration von benachteiligten Menschen in die Gesellschaft. Werkstätten für Menschen mit Behinderung und ähnliche soziale Unternehmen, spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie neben einer geschützten Arbeitsumgebung auch besondere Unterstützung, Förderung und Hilfestellung für diese Personengruppen anbieten. Weil der Integrationsauftrag im Vordergrund steht, fällt es diesen Unternehmen aber oftmals schwer, sich unter normalen Marktbedingungen im Wettbewerb um das wirtschaftlichste Angebot durchzusetzen.
Öffentliche Auftraggeber haben bei der Vergabe ihrer Aufträge verschiedene Möglichkeiten, diese Unternehmen als gleichwertige Vertragspartner der öffentlichen Hand zu etablieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Jeder Auftrag unterstützt die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und deren Eingliederung.
Privilegierung nach GWB im Oberschwellenbereich
Das GWB enthält in § 118 GWB eine Privilegierungsregelung von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und ähnliche soziale Unternehmen. Diese Regelung richtet sich an Auftraggeber im Sinne von § 98 GWB und damit auch an Sektorenauftraggeber und Auftraggeber im Rahmen der Konzessionsvergabe.
Diese Auftraggeber können nach § 118 Abs. 1 Alt. 1 GWB die Teilnahme an ihrem Vergabeverfahren auf Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, beschränken. Dabei geht es um die Privilegierung bestimmter Einrichtung, ohne dass es auf den tatsächlichen Einsatz von Menschen mit Behinderungen oder sonst benachteiligter Menschen bei der Ausführung eines Auftrags ankommt. Entscheidet sich der Auftraggeber für diese Variante des § 118 Abs. 1 Alt. 1 GWB, darf er den Wettbewerb nicht auf eine der beiden Einrichtungsarten beschränken.
Voraussetzung für ein privilegiertes Unternehmen ist gem. § 118 Abs. 2 GWB, dass mindestens 30 Prozent der in den Werkstätten oder Unternehmen beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.
Alternativ können Auftraggeber nach § 118 Abs. 1 Alt. 2 GWB bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind. Darunter fallen zum Beispiel Programme im Rahmen des staatlich geförderten Arbeitsmarktes wie die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. In Abgrenzung zu § 118 Abs. 1 Alt. 1 GWB steht hier grundsätzlich die tatsächliche Beschäftigung der geschützten Personen im Vordergrund, nicht jedoch die Privilegierung der jeweiligen Einrichtungen.
Privilegierung nach UVgO im Unterschwellenbereich
Die Privilegierungsregel des § 118 GWB gilt über den Verweis in § 1 Abs. 3 UVgO auch für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Unterschwellenbereich.
Zusätzlich kann der Auftraggeber nach § 8 Abs. 4 Nr. 16 UVgO die Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb wählen, wenn er den öffentlichen Auftrag ausschließlich an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder an Unternehmen, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, vergeben will.
Informationsmöglichkeit für öffentliche Auftraggeber zu Anbietern
Möchte der Auftraggeber von seinem Recht auf Teilnahmebeschränkung im Vergabeverfahren Gebrauch machen, muss er zuvor untersuchen, ob der Auftrag – unter Berücksichtigung der konkreten Vorgaben des Auftraggebers – überhaupt von den genannten Einrichtungen ausgeführt werden kann. Im Wege einer Markterkundung kann er sich über verschiedene Informationsquellen einen Überblick über am Markt agierende Einrichtungen und Unternehmen verschaffen:
Die Bundesagentur für Arbeit führt ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. Der Anhang zum Verzeichnis enthält eine Zusammenstellung der dort bekannten Blindenwerkstätten i. S. des Blindenwaren-Vertriebsgesetzes (BliwaG) vom 9. April 1965.
Eine gezielte Suche nach anerkannten Werkstätten, die bestimmte Produkte oder Dienstleistungen anbieten, ermöglicht das Internetportal REHADAT-Werkstätten. Auch Inklusionsbetriebe lassen sich über das Portal REHADAT-Angebote und Adressen nach Branchen und Produktgruppen sortiert finden. Die Portale gehören zum Informationssystem REHADAT, das neben diesen Portalen umfassende Informationen zur beruflichen Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen bietet. Es handelt sich dabei um ein Angebot des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Spezialregelung zur Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in § 224 SGB IX
Nach § 224 Abs. 1 SGB IX werden Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt werden können, bevorzugt diesen Werkstätten angeboten. Die Bundesregierung erlässt mit Zustimmung des Bundesrates hierzu allgemeine Verwaltungsvorschriften. Die Vorschrift gilt auch für Inklusionsbetriebe und anerkannte Blindenwerkstätten, §§ 224 Abs. 2, 226 SGB IX.
Diese Vorschriften bleiben nach der Gesetzesbegründung zu § 118 GWB in ihrem Anwendungsbereich unberührt.
Näher ausgestaltet wird die Regelung durch die Bevorzugten-Richtlinie vom 10. Mai 2001 (BAnz. Nr. 109 S. 11773), die bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 224 SGB IX weiter anzuwenden ist. Die Richtlinie gilt unmittelbar für den Bund und seine Einrichtungen. Landesbehörden in Brandenburg wenden sie gem. VV Nr. 2.6. zu § 55 LHO an. § 30 KomHKV enthält für Kommunen keine speziellen Vorgaben.