Strategische/ nachhaltige Beschaffung
In Deutschland geben öffentliche Auftraggeber wie Bund, Länder und Kommunen jährlich zwischen 260 und 460 Milliarden Euro zur Beschaffung von Bau-, Dienst- und Lieferleistungen aus.
Grundsätzlich gibt das Vergaberecht nur den Weg vor, auf dem die öffentliche Hand diese Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen einkauft. Durch die Einbeziehung von strategischen Aspekten wie der Nachhaltigkeit, kann die Vergabe öffentlicher Aufträge gleichzeitig als ein wichtiges Instrument zu Verwirklichung gesellschaftlicher und (wirtschafts-) politischer Ziele eingesetzt werden.
Grundlagen
Die Möglichkeit für Auftraggeber, in ihren Vergabeverfahren soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte zu berücksichtigen, zählt mittlerweile zu den allgemeinen Grundsätzen der Vergabe (vgl. § 97 Absatz 3 GWB für die Oberschwelle bzw. § 2 Absatz 3 UVgO für die Unterschwelle).
Eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 3 Absatz 4 Satz 1 des Brandenburgischen Vergabegesetzes (BbgVergG). Danach können Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte bei der Vergabe berücksichtigt werden, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.
Am 13. April 2021 ist das Zweite Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergabegesetzes verkündet worden. Für Auftraggeber, die an § 55 LHO gebunden sind, ist seit dem 1. Mai 2021 aus der Kann-Bestimmung zur Berücksichtigung von Aspekten der Qualität, Innovation, sozialen und umweltbezogenen Aspekten, eine Soll-Vorgabe geworden. Diese Auftraggeber müssen die genannten Aspekte künftig im Regelfall berücksichtigen und dürfen nur in atypischen Fällen begründet davon abweichen. Institutionen, die grundsätzlich nicht zur Anwendung von § 55 LHO verpflichtet sind, wie beispielsweise Kommunen, können im Einzelfall über Nebenbestimmungen zu Zuwendungsbescheiden an § 55 LHO gebunden sein. Das neue Formular 1.13/ 1.13 EU der Formularsammlung soll den Vergabestellen dabei als Hilfestellung für die dokumentierte Berücksichtigung von strategischen/ nachhaltigen Aspekten nach dem BbgVergG dienen.
Die in § 2 Absatz 1 Satz 2 BbgVergG normierte Anwendungsgrenze, die zum 1. Mai 2021 von bisher 3.000 Euro auf 5.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen und 10.000 Euro für Bauleistungen (entsprechend § 3 VgV geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer) angehoben wurde, gilt nicht für diese Soll-Vorgabe zur Berücksichtigung der in § 3 Absatz 4 Satz 1 BbgVergG genannten nachhaltigen Aspekte, sondern nur für Teil 3 des Gesetzes (Mindestentgelt).
Strategische / Innovative Beschaffung
Die Nachfrage der öffentlichen Hand nach Innovationen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine Innovation kann dabei alles sein, was grundlegend neu ist oder erneuert bzw. weiterentwickelt wurde. Innovative Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen können langfristig Kosten einsparen, die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand erhöhen und die Qualität und Nutzerfreundlichkeit von Verwaltungsabläufen optimieren. Die Nachfrage nach innovativen Dienstleistungen oder Produkten fördert aber auch die Innovationstätigkeit der Wirtschaft, davon können gerade Kleine und Mittlere Unternehmen profitieren.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat zur gezielten Unterstützung von Vergabestellen in diesem Bereich das Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO) eingerichtet, das vom Bundesverband Materialwirtschaft, Logistik und Einkauf e.V. (BME) durchgeführt wird. Es hat die Aufgabe, Vergabestellen beim Erwerb von neuen Produkten, Dienstleistungen und Systemlösungen zu unterstützen. Ein Fokus liegt dabei auf der Vermittlung von Kompetenzen im Vergaberecht und von modernen und innovativen Vergabeverfahren. Das Kompetenzzentrum bietet Vergabestellen konkrete Beratungsangebote, zahlreiche Praxisbeispiele, Arbeitshilfen (Toolbox), Informationsmaterialen, Veranstaltungen und Seminare.
Strategische / Nachhaltige Beschaffung
Strategische/ nachhaltige Aspekte können sein:
- die Vereinbarung von Mindestarbeitsentgelten wie den brandenburgischen Vergabemindestlohn bei öffentlichen Aufträgen,
- Unterstützung bestimmter Bietergruppen wie
- Werkstätten für Menschen mit Behinderungen,
- oder Unternehmen, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist,
- oder Justizvollzugsanstalten,
- die Schaffung von Ausbildungsplätzen,
- die Förderung von Frauenarbeitsplätzen,
- die Mittelstandsförderung,
- die Beschaffung energieeffizienter und ressourcenschonender Produkte und Leistungen,
- die Einbeziehung von „fair trade“
Die nachhaltige Beschaffung zählt auch zu den Handlungsfeldern der im Jahr 2014 durch die Landesregierung erarbeiteten und beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie. Danach soll die öffentliche Nachfrage stärker auf eine nachhaltige Beschaffung ausgerichtet werden. Die öffentliche Beschaffungspraxis kann so dazu beitragen, durch verändertes Nachfrageverhalten nachhaltige Produkte und Märkte zu erschließen und zu stabilisieren.
Die Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (KNB) stellt auf einem zentralen Portal Informationen zur nachhaltigen Beschaffung für öffentliche Auftraggeber zur Verfügung. Interessierte können sich auf diesem Portal über das Thema Nachhaltige Beschaffung eingehend informieren. Es stehen unter Anderem Informationen zur nachhaltigen Beschaffung bestimmter Produktgruppen zur Verfügung. Die Produktgruppenblätter beinhalten sowohl die rechtlichen Grundlagen, Praxisbeispiele, Handlungshilfen und Leitfäden als auch Informationen zu entsprechenden Umweltzeichen. Zusätzlich führt die KNB Schulungen und Aufklärungsgespräche durch.
Öffentliche Auftraggeber werden dadurch unterstützt, dass ihnen Informationen zur Verfügung gestellt werden, wie sich Aspekte der Nachhaltigkeit in Vergabeverfahren, insbesondere in die Leistungsbeschreibung, der Abfassung von Eignungs- und Zuschlagskriterien und der Formulierung besonderer Ausführungsbedingungen, integrieren lassen.
"Nachhaltige Beschaffung ist das neue Normal!" - Ein gemeinsames Filmprojekt von Bund und Ländern zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung
„Nachhaltige Beschaffung ist das neue Normal!“ – Unter diesem Motto veröffentlicht die Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (KNB) gemeinsam mit vierzehn Bundesländern, darunter Brandenburg, einen Kurzfilm zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung.
Thematisch werden alltägliche Herausforderungen rund um nachhaltige öffentliche Beschaffung geschildert. Der Film zeigt, wie an verschiedenen Stellen im Beschaffungsprozess und bei unterschiedlichen Leistungen Nachhaltigkeitsaspekte integriert werden können.
Ergänzend wurden Kurzspots zu den Themen Verpflegung und Energieeffizienz erstellt.