Grundlagen

Die öffentliche Auftragsvergabe ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Das Beschaffungs­volumen der öffentlichen Hand liegt nach Schätzungen bei mindestens 300 – 350 Milliarden Euro im Jahr.

Vergaberecht, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, verfolgt daher keinen Selbstzweck. Es dient der Transparenz von Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand, sorgt für einen fairen Wettbewerb und die Gleichbehandlung aller interessierten Unternehmen und aller Teilnehmer an Vergabeverfahren. Insbesondere Newcomern und Existenzgründern wird so der Marktzugang überhaupt erst eröffnet, und sie erhalten, ebenso wie auch Kleinst- und Kleinunternehmen, gleiche Marktchancen.

Vergaberecht gewährleistet nicht nur kurz-, sondern auch langfristig den sparsamen und wirtschaftlichen Einsatz von Haushaltsmitteln und ist ein wesentlicher Faktor zur Ver­hin­de­rung von Korruption und Manipulation.

Die öffentliche Auftragsvergabe kann durch die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten, insbesondere umweltbezogenen, sozialen und innovativen Kriterien, auch zur Verwirklichung strategischer Politikziele beitragen.

Auftraggeber

Die Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts kann auf verschiedenen Grundlagen beruhen.

In § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) findet sich zunächst die Einteilung von Auftraggebern in öffentliche Auftraggeber (§ 99 GWB), Sektorenauftraggeber (§ 100 GWB) und Konzessionsgeber (§ 101 GWB). Öffentliche Auftraggeber können dabei im klassischen und im funktionalen Sinne vorliegen. Zu den klassischen öffentlichen Auftraggebern zählen Gebietskörperschaften (also Bund, Länder und Gemeinden) sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder Sondervermögen. Öffentliche Auftraggeber im funktionalen Sinne haben das Vergaberecht aufgrund ihrer „Nähe zum Staat“ zu beachten, es handelt sich um juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts sowie um natürliche Personen, die die Voraussetzungen des § 99 GWB erfüllen und hiernach dem Vergaberecht unterfallen. Wegen der verschiedenen Voraussetzungen muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handelt (z.B. bei Krankenhausgesellschaften, wissenschaftlichen Instituten oder auch Wohnungsbau­gesell­schaften).  

Auch in anderen Konstellationen kann sich durch die „Nähe zum Staat“ eine Verpflichtung zur Anwendung von vergaberechtlichen Vorschriften ergeben, ohne dass man „Auftraggeber“ im Sinne des Vergaberechts ist – z.B. durch Zuwendungsbescheide. Hier kommt die Verpflichtung zur Anwendung nicht originär aus dem Vergaberecht, sondern wird über den Zuwendungsbescheid, zum Beispiel durch die Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest) dem Zuwendungsnehmer verpflichtend auferlegt. So heißt es zum Beispiel in den ANBest-P unter anderem, dass Zuwendungsnehmer bei Zuwendungen, die mehr als 50.000 Euro betragen, die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) sowie die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und entsprechend die VV zu § 55 Landeshaushaltsordnung (LHO) anzuwenden haben.

Teilweise gibt es auch öffentliche Auftraggeber, wie Kommunen, die sowohl originär Vergaberecht anzuwenden haben, als auch zusätzlich aus Zuwendungsrecht verpflichtet sind die zuwendungsrechtlichen Vergabevorschriften einzuhalten. Diese zusätzliche Verpflichtung ändert aber natürlich nichts daran, dass es sich auch um öffentliche Auftraggeber handelt.

Sofern es sich z. B. bei Zuwendungsnehmern nicht auch um originäre vergaberechtliche Auftraggeber handelt, sind lediglich die Vorgaben aus dem Zuwendungsbescheid zu beachten. Hierbei handelt es sich um Vorschriften aus dem Unterschwellenvergaberecht. Andersherum kann z. B. ein Konzessionsauftraggeber zwar als Auftraggeber im Oberschwellenbereich zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet sein, haushaltsrechtlich im Unterschwellenvergaberecht jedoch kein Vergaberecht anzuwenden haben.

Dieses sind nur einige Beispiele. Wegen der vielen möglichen und ganz unterschiedlichen Konstellationen, ist es daher unbedingt erforderlich, in jedem Einzelfall zu prüfen ob und wenn ja, welche vergaberechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen.

EU-Schwellenwerte

Für Auftraggeber gibt es unterschiedliche Vorschriften einerseits für Vergaben, die EU-rechtlich relevant sind, und andererseits die, die nur nationale Bedeutung haben. Welches Vergaberechtsregime jeweils anzuwenden ist, entscheidet sich grundsätzlich nach der Höhe des geschätzten Auftragswertes. Hierfür legt die Europäische Kommission alle zwei Jahre neue EU- Schwellenwerte fest.

Liegt eine Auftragswertschätzung oberhalb dieser Schwellenwerte (Oberschwellenbereich), findet das EU-Vergaberecht Anwendung. Rechtsgrundlage ist dann das GWB das die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben enthält. Es zeichnet Regelungen zum gesamten Ablauf des Vergabeverfahrens – etwa zu den Verfahrensarten, den Ausschlussgründen, der Eignung, dem Zuschlag bis hin zur Auftragsänderung – ab. Die Vergabeverordnung (VgV), die das GWB ergänzt enthält die Detailvorschriften zur Vergabe von Liefer-, Dienstleistungs- und Bauleistungen. Im Fall von Bauleistungen ist neben Teilen der VgV auch noch die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A Abschnitt 2) anwendbar.

Besonderheiten gibt es schließlich in den Bereichen Verkehr, Trinkwasserversorgung, Energieversorgung (sog. Sektoren), bei Konzessionen und in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung. In diesen Fällen existieren Spezialregelungen: Sektorenverordnung (SektVO), Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) sowie die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV).

Unterhalb der EU-Schwellenwerte ist das öffentliche Auftragswesen im Haushaltsrecht gere­gelt (Unterschwellenbereich bzw. nationales Vergaberecht). Maßgeblich sind hier also die jeweiligen haushaltsrechtlichen Vorgaben auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene. Gemeinsam ist den haushaltsrechtlichen Vorgaben, dass sie, mit kleineren Abweichungen, auf die gemeinsamen Regelwerke der UVgO, für Liefer- und Dienstleistungen, sowie für den Baubereich auf die VOB/A Abschnitt 1 verweisen und diese für anwendbar erklären.

Professionalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens

Die Europäische Kommission hat ein neues Instrument zur Unterstützung der Professionalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens vorgestellt. Das ProcurCompEU Paket erleichtert Einzelpersonen die Ermittlung ihrer Kompetenzen und Konzipierung eines beruflichen Entwicklungsweges, es hilft Organisationen beim Aufbau von Fachkräften und unterstützt Schulungsanbieter bei der Erstellung gezielter Schulungspläne.

Die Beschaffung in den öffentlichen Institutionen innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union soll professioneller werden – dieses Ziel hat die Europäische Kommission mit ihrer „Empfehlung zur Professionalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe“ im Oktober 2017 vorgegeben. Ein Baustein zur Zielumsetzung ist das nun veröffentlichte, freiwillig und kostenfrei anwendbare ProcurCompEU Paket.

Die Zusammenfassung „ProcurComp - In a nutshell“ bietet einen guten Überblick, wer ProcurCompEUwie für sich nutzen kann.

Das  ProcurCompEU Paket besteht aus dem Hauptdokument und dem Instrumentarium, die auf der Seite der Europäischen Kommission zum Download bereit stehen.

Über das ProcurCompEU Hauptdokument erhalten Sie Informationen zu Anwendungsfällen, Kompetenzen und Fähigkeiten für Fachkräfte im öffentlichen Beschaffungswesen sowie ein Selbstbewertungsinstrument und einen allgemeinen Schulungsplan. Die notwendigen Hilfsmittel zur Professionalisierung wie etwa den Leitfaden für die Selbstbewertung finden Sie unter ProcurCompEU Instrumentarium.